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Europa – (k)eine Jugendliebe?

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Nicole Gonsior

Die Situation junger Europäer zwischen 18 und 35 Jahren ist paradox: Obwohl sie besser ausgebildet und mobiler sind als die Generationen ihrer Eltern und Großeltern, ist ein großer Teil von ihnen arbeitslos. Bei der Europawahl sind viele junge Europäer zuhause geblieben. Ihnen fehlt es an Zukunftsperspektiven und damit an Visionen. Jugendorganisationen suchen nun nach Rezepten, um wieder mehr Begeisterung für Europa zu wecken.

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Eva Paunova in ihrem Büro in Brüssel.

 

Eva Paunova strahlt Zuversicht aus. „Ich bin davon überzeugt, dass junge Leute diejenigen sind, die Veränderungen möglich machen können“, sagt sie. Sie wolle ihr Amt als Europa-Abgeordnete nutzen und jungen Leuten eine Plattform geben. Mit 28 Jahren ist die Bulgarin die jüngste Abgeordnete der Europäischen Volkspartei, zu der im Europaparlament auch die deutsche CDU/CSU-Fraktion gehört. Deswegen wird sie besonders von jungen Leuten angesprochen. Und für die müsse viel getan werden: Laut Paunova braucht Europa bessere Bildungschancen, mehr Innovationen, einen digitalen Binnenmarkt und Lösungen, um den demografischen Wandel zu überwinden. Und das gehe nur mit mehr europäischer Integration.

Das scheinen aber gerade viele junge Leute nicht so zu sehen. Sie haben aufgehört, an das europäische Projekt zu glauben. Statt Visionen für ein gemeinsames Europa überwiegt bei ihnen die Perspektivlosigkeit. Bei der Europawahl haben viele von ihnen gar nicht oder rechtsextreme Parteien gewählt. In Frankreich zum Beispiel hat laut einer Umfrage jeder dritte Wähler zwischen 18 und 35 Jahren seine Stimme dem rechtsextremen Front National gegeben. Wahrscheinlich sind noch mehr junge Leute gar nicht zur Wahl gegangen – die offiziellen europaweiten Statistiken veröffentlicht die Europäische Kommission im August.

“Viele junge Europäer haben einfach  keine Hoffnung mehr”, erklärt Allan Päll, Generalsekretär der europäischen Jugendorganisation „Youth Forum“, die fehlenden Visionen dieser Generation. Die Organisation vertritt 99 Mitgliedsorganisationen – darunter politische und konfessionelle Gruppen, Pfadfinder und Jugendherbergen – und betreibt in Brüssel Lobbyarbeit für die Rechte von jungen Leuten. Für Allan Päll ist die Situation der jungen Europäer paradox: „Sie sind so qualifiziert wie noch keine Generation von Europäern zuvor und sie sind offener dafür, innerhalb von Europa umzuziehen. Ich glaube, alles an dieser Generation ist viel besser. Aber gleichzeitig werden sie eine schlechtere Lebensqualität haben als ihre Eltern.“ Eva Paunova sieht noch mehr Gründe für die fehlende Zuneigung zur EU: Viele wüssten einfach zu wenig darüber, was in Brüssel geschieht. Daran haben nach Ansicht der jungen Abgeordneten auch die Medien Schuld. “Viele haben außerdem genug von den traditionellen Parteien, weil diese in einigen Ländern keine zufriedenstellenden Ergebnisse geliefert haben.” Und so entstehe Frust. „Aber wenn sich junge Leute nicht mit dem identifizieren, was ihnen das Europäische Projekt bietet, dann gibt es nichts, was Europa und das Europäische Parlament und die Kommission für sie tun können“, sagt Paunova.

Wenn junge Leute nicht zur Wahl gehen, sei das auch ein Arbeitsauftrag an die Jugendorganisationen, sagt Allan Päll. Deswegen haben viele von ihnen vor der Wahl mit unterschiedlichen Programmen gezielt versucht, junge Europäer für den Gang an die Urne zu motivieren. Ein Beispiel ist die Aktion „Y Vote 2014“ von der europäischen Studierendenorganisation AEGEE: Mit Tagungen, Bustouren und lokalen Events hat die Organisation in der ganzen EU versucht, mehr Aufmerksamkeit auf die Wahlen zu lenken und über Rechte, Abläufe und politische Programme zu informieren. Inwiefern ihnen das gelungen ist, soll eine interne Evaluierung noch zeigen.

Dabei treffen die Organisationen immer wieder auf einen kleinen Kreis junger Leute, die aktiv sind, die durch Erasmus oder Reisen Europa lieben gelernt haben, die sich durch Studium oder aus Interesse mit der EU beschäftigt haben und die sich Reformen wünschen. „Diese jungen Leuten wollen mehr Partizipationsmöglichkeiten, wollen einbezogen werden, zum Beispiel durch die Wahl aller Kommissare der Europäischen Kommission“, sagt Aleksandra Kluczka, Studentin und AEGEE-Vorstandsmitglied aus Polen. Ihre persönliche Erfahrung habe gezeigt: In der Regel sind informierte Europäer begeisterte Europäer.

Jeden Donnerstagabend trifft sich ein Teil dieser jungen Europäer auf dem Place du Luxembourg in Brüssel, direkt vor dem Europaparlament, und stößt auf den Beginn des Wochenendes an. Mehrere hundert Leute kommen dort in den Sommermonaten zusammen. Die meisten von ihnen arbeiten im Parlament, in der Kommission oder betreiben Lobbyarbeit. Unter ihnen sind auch viele Praktikanten. Sie alle sind durch ihre Arbeit mit der EU verbunden. Wenn man auf dem Platz fragt, was sich in der EU ändern soll, haben viele eine ganz konkrete Antwort: Manche fordern weniger Einfluss für die EU. Andere wünschen sich mehr Transparenz und Demokratie, mehr Solidarität unter den einzelnen Nationen aber auch eine förderale Union.

Für Eva Paunova geht es in Zukunft nicht mehr ohne Europa: „Wir müssen Europa lieben.“ Wenn Griechenland in der Krise sei, dann solle man in Griechenland Urlaub machen. „Wenn Spanien wirtschaftliche Probleme hat, dann kauft spanische Musik oder spanisches Essen. Klar haben wir eine nationale Identität, aber wir sollten uns dennoch nicht schämen, uns Europäer zu nennen.“

 

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